Grau ist das neue Gold – Warum Sie auf ältere Mitarbeitende setzen sollten
Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und der demografische Wandel stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Schon jetzt herrscht ein großer Mangel an Fachkräften, der sich durch die bevorstehende Ruhestandswelle der Babyboomer-Generation noch verstärken wird.
Besucht man Veranstaltungen zum Thema oder liest man dazu Artikel oder Beiträge in den sozialen Netzwerken, sind Frauen, EinwanderInnen oder auch Bildungsferne die Zielgruppen, die man unbedingt durch verschiedenste Maßnahmen in den Arbeitsmarkt (re-) integrieren will.
Eine Gruppe kommt dabei aber zu viel kurz: Die Mitarbeitenden, die kurz vorm 60-zigsten stehen oder schon darüber sind – die Babyboomer. Doch eine Gruppe bleibt oft ungenutzt – ältere Mitarbeitende. Dabei sind sie eine echte Chance: Mit ihrer Erfahrung, Stabilität und Innovationskraft könnten sie der Schlüssel sein, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei ist das eine völlig unterschätzte Gruppe von Menschen, die dazu beiträgt, dass Unternehmen am Markt bestehen bleiben.
Nicht jede/r sehnt sich nämlich in den Ruhestand und möchte stattdessen gern weiterarbeiten, oder müssen es aus finanziellen Gründen eigentlich. Diese Menschen werden meist aber gar nicht gefragt, ob sie weiterarbeiten wollen. Das ist doch ziemlich verschenktes Potenzial. Ein Grund liegt zum einen darin, dass zu einem vom Staat definierten regulären Termin „in Rente gehen“ quasi in Stein gemeißelt ist und nicht hinterfragt wird. Ein weiterer wesentlicher Grund sind die Vorurteile gegenüber älteren Mitarbeitenden in Unternehmen,
Vorurteile gegenüber älteren Mitarbeitenden
Die Liste der Vorurteile gegenüber Älteren ist lang: Sie betreffen vor allen Dingen die Gesundheit, die Motivation und die Fähigkeit, sich auf Neues einzustellen. Sie sind angeblich weniger leistungsfähig, haben kein Interesse auf Weiterbildung und können auch gar nicht mehr lernen. Sie sind häufiger krank, nicht mehr innovativ oder haben keine Lust auf neue Arbeitsformen wie agil oder selbstorganisiert arbeiten. Diese Vorurteile sind weitverbreitet, aber – kurz gesagt – Quark.
Grundsätzlich ist jeder von uns mit zunehmendem Alter körperlichen Veränderungen unterlegen, da beißt die Maus kein Faden ab. Aber in welchem Tempo und wann welche Einschränkungen auftreten, ist sehr individuell. Die Ergebnisse aller einschlägigen Untersuchungen sind da ziemlich eindeutig; es ändern sich zwar Qualifikationsprofil und Einsatzfähigkeit, die Arbeits- und Leistungsfähigkeit selbst jedoch nicht1. In anderen Ländern, in denen länger gearbeitet wird, bleiben diese Personen sogar länger fit.
Einen weitreichenderen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben vielmehr persönliche Erfahrungen, die man im Arbeitsleben gemacht hat; dazu kommen z. B. die eigene Sozialisation, der Wohnort, der Lebensstil oder auch Betreuungspflichten2. Am Arbeitsplatz ist es entscheidend, dass die körperlichen und psychischen Belastungen mit den vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden korrespondieren.
Die auf das Alter bezogenen Leistungsunterschiede gibt es, diese sind innerhalb einer Altersgruppe jedoch wesentlich größer als zwischen verschiedenen Altersgruppen3.
Die angebliche Unfähigkeit oder Unlust von Älteren zum Lernen trifft ebenso wenig zu. Auch das Lernen hängt enorm von den bisher gemachten Erfahrungen ab, ist also altersunabhängig. Im Unternehmen kommt hinzu, dass Ältere nicht selten von Weiterbildungen ausgeschlossen werde, weil es sich ja nicht mehr lohnt, für sie Geld auszugeben. Dabei ist belegt, dass Betriebe, die explizit Ältere in Weiterbildungen einbeziehen, eine höhere Beschäftigungsquote in dieser Altersgruppe haben4. Ältere benötigen andere Formen des Lernens, so benötigen sie einen konkreten Sinn für das Lernen und möchten es direkt anwenden können Ältere Mitarbeitende sind zudem genauso innovativ – oder nicht innovativ – wie Jüngere; Älteren werden manche Aufgaben jedoch schon von vornherein nicht übertragen, weil man ihnen die Bewältigung nicht zutraut. Das gilt auch für neue Arbeitsformen, wie z. B. agiles Arbeiten; neuere Studien bestätigen, dass Ältere konsequent davon ferngehalten werden5.
Grundsätzlich kann man hier die Frage stellen, ob die Haltung über ältere Mitarbeitende ein „kompetenzbedingtes oder sozial konstruiertes Phänomen der Arbeitskultur“ ist6. Oder anders formuliert: Was war zuerst da: das Huhn oder das Ei?
Nutzen Sie das Potenzial Ihrer erfahrensten Mitarbeitenden. Kontaktieren Sie mich, und gemeinsam entwickeln wir Strategien, wie Ihr Unternehmen durch ‚graue Power‘ dem Fachkräftemangel begegnen kann.
Quellen
1Wolff, H. (2000). Der Demografische Wandel – eine Herausforderung für alle Akteure am Arbeitsmarkt. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 33(4), 251–255. https://doi.org/10.1007/s003910070042
2Bergmann, N., Hosner, D., & Pretterhofer, N. (2022). Login statt Logout: Ältere Beschäftigte und Digitalisierung im Fokus. https://www.esf.at/wp-content/uploads/2022/06/Endbericht_LoginLogout_Mai2022_LR.pdf
3Langhoff, T. (2009). Den demographischen Wandel im Unternehmen erfolgreich gestalten. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-01242-6
4Bellmann, L., Pahnke, A., & Stegmaier, J. (2010). Betriebliche Weiterbildung und Beschäftigungsstabilität Älterer: Bleiben Geförderte länger? In IAB-Forum H.1, 30–35.
5Drazic, I., & Schermuly, C. C. (2023). Too Old for Agility? Employee Age and Readiness for Change Toward Scrum—The Moderating Roles of Age Climate and Subjective Age. Work, Aging and Retirement, 7(3), 174–196. https://doi.org/10.1177/23970022231195061
6Wörwag, S., & Cloots, A. (Hrsg.). (2020). Arbeitskulturen im Wandel: Der Mensch in der New Work Culture. Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30451-5